13. Am Ende der Lügen

Arsur war das Auge des Sturms. Hierher hatten Richard und Saladin ihre Männer geführt, um eine weitere ihrer Schlachten zu schlagen, sich endlich zu bezwingen. Ängstlich hatten sich jene Menschen, die es nicht geschafft hatten zu flüchten, sich in ihre Behausungen zurückgezogen und warteten mit angehaltenem Atem auf das erste Aufeinanderprallen von Schwertern...doch es war ausgeblieben.
Nur das metallische Klirren der Rüstungen und Waffen im Gleichschritt, die seltenen Rufe einzelner Hauptmänner hallten durch die leeren Straßen, erzeugten gespenstische Stimmung und unterschwellige Angst.
 
Lange hatte Altair überlegt, sich den Weg freizukämpfen, doch schließlich hatte er sich dagegen entschieden. Wenn das Schicksal es wollte, würden Richard und Saladin ihm Glauben schenken, wenn nicht, würde er ohnehin sterben. So ritt er offen zu den Soldaten, gab sich als Assassine zu erkennen und ließ sich völlig widerstandslos festnehmen, was zu großer Aufregung im Lager führte.
Friedrich Hansen wünschte sich, nicht in dieser Position zu sein. Es war ruhmreich, der größte Streich der gelingen konnte, einen dieser Mörder gebunden vorzuführen, doch genau dies stellte ein Problem dar. Der Mann dachte gar nicht daran sich zu wehren und obwohl seine Vorsicht ihn zu anderem Handeln mahnte, erließ Hansen dem Fremden die Fesseln. Es schien, als wollte er unbedingt mit den Führern sprechen und es würden genug Soldaten anwesend sein, um sie im Falle eines Angriffes zu schützen. Die Assassinen mochten gerissen sein, gegen zwei Heere konnten aber selbst sie nichts ausrichten.  
Der Weg zum Lager zog sich lange hin, Hansen hatte acht seiner besten Männer gewählt, die den Gefangenen nun geleiteten, während er selbst neben dem Assassinen herschritt. Seine Waffen hatte man ihm genommen, dennoch wirkte er für Friedrich gefährlich, in jeder seiner Bewegungen lag kontrollierte Kraft, dominant schritt er zwischen ihnen dahin, als hätten sie ihn nicht unter ihrer Gewalt. Der Hauptmann entschloss, mehr erfahren zu wollen, schwenkte näher zu dem Fremden. "Ihr wisst, dass dies Selbstmord ist! Weder mein Herr noch einer seiner Verbündeten wird euch leben lassen! Warum tut ihr dies?"
Die Stimme des Fremden kam aus dem Dunkel seiner Kapuze, klang jünger, als Friedrich es erwartet hatte. "Ich habe eine Botschaft für Richard und Saladin. Sie ist wichtiger als mein Leben!" Ein Schauer lief über den Nacken des Hauptmannes und er hoffte, die Gegenwart des Assassinen bald verlassen zu können. Er roch nach Tod.

Robert de Sables Lächeln änderte sich in kleinen Nuancen, als eine Gruppe Kreuzfahrer auf den Platz trat und die Zeremonie unterbrach. Eben hatten sich die Herrscher die Hände zu einem historischen Pakt reichen wollen, auf den er Zeit seines Lebens hingearbeitet hatte, als er jenen erblickte, der nicht hier sein sollte.
Zwischen den angespannten Gesichtern der Soldaten richtete sich ein Antlitz, halb verhüllt von Schatten, direkt auf Roberts Gesicht, ein Sonnenstrahl fiel auf eine Narbe, die sich über die Lippen des Fremden zogen. "Ihr!" knurrte der Templer und brach damit die Starre, die das Auftauchen des Assassinen ausgelöst hatte.

"Wer ist das?" wandte Richard sich an seinen Untergebenen, erhielt jedoch Antwort von dem Sarazenenherrscher, der dicht neben ihm stand. "Eine Brut des Teufels, ein Bastard der Hölle!" Saladins Augen brannten vor Hass, als er sich ihm zuwandte, "Ein Assassine!"

Altair wusste, dass er sich keinenfalls bewegen durfte, wenn er nicht sofort mit einem Schwert im Rücken enden wollte, wand nur betont langsam den Kopf und richtete sein Wort an die beiden Herrscher.
"Friede sei mit euch! Ich komme freien Willens zu euch, um euch zu bitten, mich anzuhören!" "Was sollten wir von euresgleichen erfahren müssen?" unterbrach Saladin rüde diese Reden. "Gewöhnlich tötet ihr eher, als dass ihr sprecht!"
Weiterhin änderte Altair seine Position nicht um eine Nuance, nur seine Stimme wurde kälter. "Es sind keine Waffen, die ich bringe, sondern Wissen!" Der Sarazene war nicht gewillt, so leicht aufzugeben. "Er hat euch doch geschickt um uns zu töten! Ist es nicht so?" "Ich bin nicht wegen euch hier, sondern wegen eines Verräters!" Unzählige Hände schlossen sich um Waffen, als der Assassine auf die Knie sank und sein Haupt senkte, selbst Saladin zog sofort sein Schwert. Ein breiter Arm legte sich über seine Brust und hielt ihn davon ab, zuzuschlagen.
"Moment! Wartet noch!" zischte Richard ihm von der Seite zu. Altair nutzte die gewonnen Sekunden um zu sprechen. "Ich beuge mein Haupt vor euch, denn ich bin nicht als euer Feind hier! Vielmehr stehen wir auf der gleichen Seite, schon lange, ohne es zu wissen! Hört mich an und ich werde euch sagen, was es damit auf sich hat!"

Der englische König trat einen Schritt vor, bedeutete dem Gefangenen aufzustehen und fixierte ihn mit zusammengekniffenen Augen. "Wer ist der Verräter?" fragte er leise, drohend. "Robert de Sable!" antwortete Altair laut, sodass der Name des Templers von den felsigen Wänden wiederrollte. Saladin legte die Stirn in Falten und hielt seine Männer zurück.  "Nun, da hat er mir etwas anderes erzählt, Assassine! Er sprach über die Taten eines eurer Freunde in den Städten, über den Tod meiner Männer und der meines Freundes hier!" Ehrlichkeit war entscheident, wenn man Wahrheit vermitteln wollte und so sah Altair keinen Grund, zu lügen. "Ich war es, der sie getötet hat. Doch ihr hättet es selbst getan, wärt ihr ihrem Wirken gewahr geworden! Wilhelm von Monteferrat sammelte seine Truppen gegen euch, Garnier von Nablus erschuf ein Heer willenloser Geister, um gegen euch zu ziehen! Sirbrand, Talal, Majid ad Dhin sie alle haben euch betrogen, euch hinters Licht geführt und den Befehl dazu erhielten sie von Robert!"
Saladin konnte nicht länger an sich halten, auch er mischte sich wieder in das Gespräch ein. "Und das sollen wir euch glauben? Ihr seid verrückt!" Der Assassine ignorierte den Sarazenenherrscher, er hatte längst erkannt, dass sich in Richards Augen Erkenntniss wiederspiegelte, hackte an dieser einzigen Hoffnung ein. "Ihr kanntet diese Männer, besser als ich! Fragt euer Herz, seid ihr wirklich überrascht von ihrem Verrat?"

Die Stimmung war zum zerreißen gespannt, immer noch waren die Soldaten bereit, auf den Eindringling zuzustürmen, doch der Befehl dazu wurde nicht ausgesprochen. Betont langsam wandte der englische König sich an seinen Untergebenen. "Robert, ist das wahr? Und ihr sprecht hier nicht vor mir sondern vor Gott selbst!" Der Templer war bisher ruhig geblieben, hatte jedoch verzweifelt in seinem Denken nach einem Ausweg gesucht, der das Gelingen seines Planes und das Überleben dieses Assassinen sicherte, bisher jedoch noch keinen gefunden. Keinesfalls durften die Herrscher Altair glauben, keinesfalls sich mit ihm gemeinsam gegen Al Mualim stellen, der Alte hätte sie alle vernichtet, denn sie wussten nicht um die Macht des Steines.

Dieser junge Narr glaubte tatsächlich zu wissen was vor sich ging. Er verstand nicht, dass die Leben, die er genommen hatte, nichts weiter als Leuchtfeuer waren, die de Sable ihm in mühsamer Kleinarbeit vor die Füße geworfen hatte, um ihn abzulenken. Altair verstand nicht, dass der Templer dem Frieden näher war, als er selbst es je sein konnte.

Robert bemühte sich, abfällig, unbeeindruckt zu klingen und brachte es entgegen aller Umstände zu Stande.
"Mein Herr, es ist ein Assassine der hier vor uns steht! Diese Kreaturen werden nicht umsonst Meister der Täuschung genannt! Natürlich ist das nicht wahr! Er hat lediglich Angst vor unseren vereinten Kräften, denn sie werden ihnen nicht standhalten!" Hoffnung lag in diesem Trick, die letzte Möglichkeit alles zum Guten zu wenden. Altair ahnte nicht, dass er völlig falsch lag, Robert war niemals ein Verbündeter seines Meisters gewesen, er war sein ärgster Feind, doch der Templer hatte lange schon erkannt, dass der Weg zum Ziel nur über die Macht über das Heilige Land führen konnte.

Solange Saladin und Richard die Männer befehligten, sich gegenseitig zerrissen, würde niemand Al Mualim stoppen können. Sie würden nicht verstehen, was vor sich ging und de Sable hatte Vorkehrungen getroffen, die sie vorrübergehend aus dem Gefecht gezogen hätten, wäre der Assassine nicht erschienen.

Mitnichten hatte er jemals daran gedacht, die beiden Herrscher zu töten, sie mussten nur so lange unter Arrest gehalten werden, bis die Bedrohung abgewendet war. Er musste den Assassinen zum Schweigen bringen, bis er Zeit fand, mit Altair zu sprechen und ihm die Wahrheit zu offenbaren. Nicht umsonst hatte der Templer seinen <Gegner> geschont, obwohl er ihn schon unzählige Male töten hätte können.

Robert setzte an, sein Gespinst aus Lügen weiter zu weben, doch Altair unterbrach ihn unvermittelt und aus ihm strömte die Geschichte des jahrtausende alten Steins, und seines Machtzuges.
 
Gebannt lauschten die Männer diesen Worten, die vom Anbeginn der Zeit, von fantastischen Illusionen sprachen, die in Frage stellten, was die Propheten ihrer Glauben zum Ausdruck gebracht hatten. Der Assassine stand hoch aufgerichtet zwischen ihnen und rüttelte an den Grundfesten ihrer Religion, ohne dass auch nur einer von ihnen vortrat, um hin niederzuringen, ohne dass jemand ihn unterbrach.
"...das ist es, was die Templer seit jeher wollten! Euer Krieg ist nicht begründet auf dem Glauben, er ist motiviert von ihrer Suche nach der absoluten Macht! Seht euch an, die ihr euch so lange Feinde nannten, seht tief in eure Seelen und fragt euch, ob euer Gott dies alles jemals gewollt hätte! So viel Blut, so viel Leiden! Ihr wurdet getäuscht, ihr seid keine Kämpfer des Glaubens, ihr alle seid nicht mehr als Marionetten in seinem Plan! Robert de Sable hätte eure Herrscher gebunden, euch alle unterworfen, nur um den Stein, die absolute Macht an sich zu reißen! Welcher Gott würde zulassen, dass er euch alle knechtet?"

Altair schloss seine Reden leiser, als er sie begonnen hatte, es war, als hätte ihm die Geschichte, die durch ihn sprach, seiner Kraft beraubt und er fühlte sich unendlich leer, müde seiner selbst, müde all dieser großen Ereignisse. Es war ihm egal, ob die beiden Herrscher ihm glaubten, belanglos, ob sie sein Leben nehmen würden, für den Assassinen war nichts mehr von Bestand.

Beherrscht wandte Richard sich nach einer Weile des Schweigens an Saladin, brach den Bann. "Habt ihr von dieser Legende gehört? Ist es war, dass dieses Artefakt existieren soll?" "Es sind Reden alter Propheten, ja, aber ich wage nicht zu glauben, dass es den Splitter wirklich gibt! Es würde alles verändern!" gab dieser atemlos zurück. Zeit seines Lebens hatte Saladin daran festgehalten, dass er Allah folgte, dass nur er allein sein Handeln bestimmte, doch langsam kam ihm die Erkenntnis, dass der Assassine wahr gesprochen hatte. Die Getöteten waren keineswegs Männer gewesen, denen der Sarazene voll vertraut hatte, lange schon hatte er ihre Falschheit gespürt, doch der Krieg hatte ihn blind werden lassen, seine Sinne getrübt.

Richard war bei Weitem gefasster, versuchte die Kontrolle über die Situation zu behalten. "Eine seltsame Situation! Jeder von euch beschuldigt den Anderen!" Die Worte glitten nur wiederstrebend von Roberts Lippen, als er sprach, versuchte, noch einmal die Oberhand zurück zu gewinnen. "Wie dem auch sei, wir haben keine Zeit für all das hier! Während dieser Narr uns aufhält, rüstet Al Mualim seine Truppen! Besiegelt euren Pakt, ich muss wieder zu den Männern und den Zug gen Maysaf befehlen!"
Geschmeidig wandte er sich um, in wenigen Sekunden, sobald die Herrscher sich die Hände gereicht hatten, würde er den Befehl zu ihrem Arrest geben, denn um sie waren nur Männer, deren Treue er besaß. Niemand würde seine Befehle hinterfragen, wenn er als Gesannter der vereinten Führer auf das Schlachtfeld gehen würde, um ein für alle Mal zu beenden, was seine Vorgänger begonnen hatten. Notfalls würde er auch ohne Altair seinen Weg gehen müssen.
"Einen Moment Robert!" schnitt Richards Stimme hinter ihm durch die Luft. Der Angesprochene wandte sich langsam um. "Was wollt ihr? Ihr glaubt ihm doch nicht?"

Der englische König streckte seine Hand dem Sarazenen entgegen und beiläufig, als wäre es kein Ereigniss großer Tragweite, schlossen die beiden ihren Pakt. Die Worte, mit denen er besiegelt wurde, waren jedoch nicht das, was der Templer erwartet hatte. "Saladin, stimmt ihr mir zu, dass dies eine Frage ist, die wir nicht alleine klären können? Wir müssen diese Entscheidung unseren Allmächtigen überlassen! Lasset die beiden kämpfen und Gott als auch Allah werden auf der richtigen Seite sein, den in Wahrheit sind wir alle eins!" "So sei es!" sprach der Sarazene laut aus.

Ein kleiner Wink Roberts brachte Bewegung in die Szene, wie ein Mann traten unzählige Wächter vor, packten die beiden Herrscher und zwangen sie zu Boden, wo sie keuchend auf den Knien aufkamen, die Augen vor Schrecken geweitet. "De Sable! Was soll das?" schrie Richard laut aus, doch der Templer beantwortete seine Frage nicht, wand seine Aufmerksamkeit dem Assassinen zu. "Ihr hättet nicht herkommen dürfen, Altair Ibn La Ahad, jetzt kann ich euch nicht einfach gehen lassen!"
Weiter Soldaten preschten vor und suchten die hoch aufgerichtete Gestalt zu greifen, doch der Assassine bewegte sich blitzschnell, stieß durch ihre Reihen hindurch, schlug einige von ihnen zu Boden, entriss endlich dem Letzten sein Schwert. Er raste über den Platz auf Robert zu, gefolgt von dessen wütenden Männern, die jedoch plötzlich einhielten, als ein Zeichen ihres Herren es ihnen befahl. Der Templer hatte seine Waffe ebenso gezogen und erwartete seinen Feind. "Das war ein Fehler!" flüsterte er dem Engel des Todes entgegen.

Die Schwerter prallten derart hart aufeinander, dass beide einen Schritt zurückgeworfen wurden. Robert de Sable erkannte sofort, dass sein Gegenüber mit letzter Kraft zuschlug, die vergangenen Tage mussten ihren Tribut fordern. Lauernd wartete er auf den nächsten Angriff, wehrte auch diesen mühelos ab.
Altairs Verzweiflung drohte die Überhand über sein Denken zu gewinnen, er sah nur noch sein Ziel, den Templer so schnell wie möglich zu töten. Mit gespannten Muskeln sprang er erneut auf ihn zu, erkannte jedoch im letzten Moment, dass de Sable es erwartet hatte. Nur einen kleinen Schritt trat er zur Seite, packte die Robe des Assassinen an der Hüfte und warf ihn hart zu Boden. Altair fiel unglücklich, sein Kopf stieß auf einen Stein, Blut verhüllte die Umgebung und für einen Moment drohte er, besinnungslos zu werden.
 
Durch die flimmernden Punkte seiner Sicht sah er Robert hoch über ihm aufgerichtet, eine Erinnerung an eine alte Begegnung flog an ihm vorbei. Der Templer hob das Schwert auf, dass ihm aus der Hand geglitten war und beugte sich beinahe fürsorglich über ihn. "Warum seid ihr nur immer noch so blind, jetzt wo ihr doch alles erkennen müsstet? Wollte ich euch töten, Altair, ich hätte es schon zigmale in meinem Leben getan!" Zu seiner Überraschung war das Gesicht des Assassinen glatt, beinahe friedlich, er lächelte sogar, als er antwortete. "Ihr hättet die Chance ergreifen sollen."

Das Echo gab den metallischen Klang des hervorschnellenden Dolches von den steinernen Wänden wieder, als die Klinge in Robert de Sables Körper fuhr. Mit der selben Bewegung, mit der der Templer nach hinten kippte, folgte der Assassine ihm und kam, immer noch durch das Eisen mit seinem Leib verbunden, neben ihm auf die Knie.
Die Tropfen ihrer blutenden Wunden mischten sich auf Roberts Brust, als ihre Augen den Weg zueinander fanden, sie die Schwelle der Existenz betraten.
Altairs Stimme war ruhig, beherrscht, als er begann. ’€žEs ist vollbracht. Euer Orden der Verräter ist ausgemerzt!’€œ
 
De Sables schmerzverzerrte Züge wandelten sich zu einem Lächeln, auch wenn er ob des Blutes, das langsam in seine Lunge drang, husten musste. ’€žIhr wisst nichts von der Wahrheit, Ihr seid nicht mehr als eine Marionette! Er hat euch betrogen, mein Kind, genauso wie er mich betrogen hat!’€œ Die Geduld des Assassinen neigte sich dem Ende zu, der Sterbende konnte klar spüren wie sein Gegenüber langsam an Kontrolle verlor. ’€žSprich klar, Templer, oder hüte deine Zunge!’€œ zischte Altair ihm entgegen.

Was noch an Kraft übrig war, strömte in den Geist des Templers und vertrieb allen Schmerz, alle Angst daraus. Es blieb ihm kaum mehr Zeit, die Geschichte auf den richtigen Weg zu führen und De Sable klammerte sich an den letzten Faden Leben, den er noch fand.
’€žNeun männer solltet ihr töten, jene neun, die um das Geheimnis des Schatzes wissen.’€œ ließ er schwach vernehmen, so leise, dass Altair sich über ihn beugen musste, um seine Worte zu verstehen. ’€žWelches Geheimnis?’€œ

Altair spürte, dass er nicht mehr lange hier verweilen konnte. Die Schwelle des Todes war hinterhältigem Treibsand gleich und je mehr sein Opfer sich dem Entgültigen näherte, desto mehr zog sie auch an seinen Kräften.

’€žEs waren nicht neun die den Schatz fanden, Assassine. Nicht neun...sondern zehn.’€œ fuhr de Sable fort.
Längst kannte Altair die Antwort und in ihm wuchs eine Erkenntnis, der er nur wiederstrebend einlass in seinen Geist gewährte. Es war die Ahnung, einen Fehler begangen zu haben. Vielleicht hätte de Sable nicht sterben sollen, vielleicht war dies der falsche Weg gewesen.
 
Ungeachtet seiner zweifel antwortete der Assassine. ’€žUnd der zehnte? Er wird nicht mit diesem Geheimnis leben. Gebt mir seinen Namen!’€œ
Der Templer richtete sich vorsichtig auf, als das Licht um sie zu gleißen begann. Ihm würden nur noch wenige Momente bleiben, genug jedoch, um seinem Gegenüber die Augen zu  öffnen. Altair zweifelte, dass war alles, was er erkannte...doch diese Erkenntnis war genug.
’€žOh, ihr kennt ihn gut! Und ich glaube nicht das Ihr sein leben so einfach nehmen werdet, wie ihr meines gestohlen habt.’€œ Ein starker Ruck ging durch seinen Körper, als er erneut am Kragen gepackt und herumgeschleudert wurde. ’€žWer?’€œ fragte Altair mit eindringlicher Stimme, seine brennenden Augen nur wenige Zentimeter von dem langsam welkenden Gesicht seines Opfers entfernt.
’€žEs ist euer Meister. Al Mualim.’€œ

Der Sog des Todes war nun beinahe unwiderstehlich geworden und Altair spürte, dass sein Geist nahe daran war, nachzugeben. Wie süß die Verlockung, sich hinzulegen und einfach zu sterben! Wie angenehm die Aussicht, endlich von all dem erlöst zu sein. Schnaubend schüttelte er den Kopf. Nein, er konnte noch nicht enden, es war noch lange nicht vorbei.

Was Robert de Sable sprach war nicht mehr als die Bestätigung dessen, was Altair schon längst geahnt hatte. Er fragte sich ob der Templer das wusste, gestatte sich aber nicht, ihn danach zu fragen. Vorsichtig wählte er seine Worte, um die Maskerade noch einige Momente zu erhalten.
’€žAber er ist kein Templer!’€œ

’€žHabt ihr euch nie gefragt warum er soviel weiß? Wer wir sind, was wir tun, wo wir uns aufhalten?’€œ ’€žEr ist der Meister der Assassinen! Es wäre kein Zeichen seiner Macht, wäre er ahnungslos!’€œ
Erneut entdrang ein heiseres Lachen der Kehle des Templers. ’€žOui, Er ist ein Meister der Lügen! Wir neun waren die Hindernisse in seinem großen Spiel, die Steine auf dem Weg zu seiner absoluten Macht. Und nun, mit meinem Tod, seid nur mehr ihr übrig.’€œ
Unvermittelt hob der Templer den Kopf und ihre Blicke trafen sich. Die Zeit der Lügen war vorbei, nun musste wahr gesprochen werden. ’€žAltair, ich war niemals euer Feind, auch wenn es euch so erschien! Im Gegenteil, ich stehe euch näher als ihr vermuten könnt!’€œ

Auch wenn es ihn drängte zu antworten, dem elendigen Templer seine Worte ins Gesicht zu spucken, Altair hielt ein und wartete. Etwas war dabei sich vor ihm zu entfalten, das letzte Stück eines Puzzles, dessen Teile nicht passen wollten, so lange er nicht das ganze Bild sah.
’€žWir wollten nichts mehr als Frieden. Wir suchten nichts mehr, als das Artefakt zu zerstören. Euer Vater und ich waren so kurz davor, so nahe an unserem Ziel, doch Al Mualim hat ihn getötet. Erst da erkannte ich, dass Cihan niemals jener war, von dem die Prophezeiung gesprochen hatte. Ihr seid es, Altair. Ihr seid der Stern, der den Frieden bringt!’€œ

De Sable erhob sich. Was gesagt werden musste, hatte er ausgesprochen, es wurde Zeit für ihn zu gehen. Mehr bittend als fordernd legte sich die Hand des Assassinen auf seinen Arm. ’€žBleibt.’€œ ’€žWas nun, mein Junge? Ihr wisst doch längst was vor sich geht, warum noch meinen leeren Worten lauschen?’€œ

Wellen der Realität wogten über Altair und suchten, ihn wieder ins Leben zu reißen, doch der assassine widerstand ihnen. Es gab einen letzten Punkt, den er zu erfahren suchte, bevor er in das Leben zurückkehrte.

’€žIhr kanntet Cihan?’€œ ’€žJa, Altair, ich kannte ihn. Ich kannte den wahren Mann, der hinter diesem Namen stand. Er war es, der den Kontakt meinem Lehrer suchte. Er, der zum Führer unseres Ordens wurde. Er, der uns bat euch zu schützen, bis ihr bereit wärt der Prophezeihung zu folgen.’€œ
Mit hängendem Kopf stand Altair vor dem Templer, als ihn die Worte trafen. Das war es also. Darum drehte sich alles. Man hatte ihn Zeit seines Lebens getäuscht, vorgeführt, aus dem Stillen heraus geleitet um ihn in etwas zu verwandeln, dass er niemals hatte werden wollen. Und jene, die er als Feinde betrachtet hatte, waren in Wahrheit Verbündete gewesen. 
Altair traf eine Entscheidung, die erste seines Lebens wohl, die nicht dem Wirken einer versteckten Loge entsprang.
’€žIch werde ihn nicht töten, de Sable. Es muss einen anderen Weg geben!’€œ
Der Templer lächelte müde. ’€žGlaubt ihr, er würde mit euch sprechen, euch am Leben lassen, jetzt wo ihr wisst was geschah?’€œ ’€žIch habe kein Interesse an dem Schatz, lediglich am Frieden. Und das wird auch Al Mualim erkennen!’€œ

Beinahe traurig waren die letzten Worte Robert de Sables, bevor er aus dem Leben schied. ’€žNein, mein Kind. Al Mualim wird euch nicht folgen. Er wird sein Bestreben nicht aufgeben. Sein Geist ist vergiftet von der Macht des Steines, wie es ein jeder wird, der dieses Artefakt benutzt. Glaubt mir, ich weiß wovon ich spreche, denn auch ich habe es in den Händen gehalten. Der einzige Unterschied zwischen eurem <Meister> und mir ist, das er nicht teilen wollte.’€œ Noch einmal hielt der Templer ein, dann strömte sein letzter Atemzug aus seinem bereits fahl gewordenen Gesicht.
’€žWie ironisch, dass ich, den Ihr als euren größten Feind saht, euch geschützt habe! Wie bitter, dass ich euch bei diesem letzten Kampf nicht beistehen kann. Aber ihr habt mein Leben blind genommen und ich fürchte, es wird auch euer Tod sein.’€œ